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Bild: bonnFM

Eine Feier des „Nie-Erwachsen-Werdens“

Lesezeit: 3 Minuten

Am Mittwoch spielte die kanadische Sängerin Avril Lavigne ihr lange erwartetes Konzert im Kölner Palladium. Dabei bewies sie, dass sie nach 20 erfolgreichen Jahren im Musikbusiness und mit nicht einmal 40 Jahren eine absolute Punk-Pop-Ikone ist. Lässig, cool und professionell begeisterte sie 90 Minuten lang 4000 Fans.

„Hello Cologne! I have been coming here for 20 years and you are still showing up, thank youuu!”, ruft Avril Lavigne von der Bühne im Palladium. Die Fans klatschen, rufen und feiern ihren Star und sich selbst. Schließlich sollte das Konzert das am 03. Mai 2023 stattfand, eigentlich Teil ihrer „Head Above Water“-Tour sein und schon Anfang 2020 stattfinden. Durch die Corona-Pandemie wurde es mehrfach verschoben, durch die Veröffentlichung ihres 2022er Albums „Love Suxs“ wurde es Teil der gleichnamigen Welttour. „And even after three years of waiting, you still showed up!”. Und dieses Warten sollte sich bezahlt machen.

Eine Show zu groß für das Palladium

Avril spielt eine aufwendige und gleichzeitig lässige Show, wie sie so im Palladium selten beobachtet werden kann. Neben ihrer vierköpfigen Band hat sie auf der Bühne noch ein Podest, auf dem sie herumturnt, eröffnet und schließt die Show mit Konfettikanonen, lässt Ballons fliegen, wirft T-Shirts in die Menge und untermalt ihre gesamte Show mit Video-Kollagen passend zu ihren Songs. Sie eröffnet mit einer Rückblick-Kollage ihrer Karriere: man sieht sie als 17-Jährige „Sk8er Boi” auf riesigen Bühnen spielen, auf Tour mit ihrer Band, aber auch Szenen aus aktuellen Musikvideos und neueren Auftritten sind dabei. Dazu spielt ihr Song „Bad Reputation“ vom Band, bis plötzlich alles schwarz wird. Als das Licht angeht steht Avril im Oversized Pulli und Netzstrumpfhose auf der Bühne und lässt Ballons steigen.

Keine „Love Sux“, sondern eine „Avril“-Show

Die Show ist eine Hommage an die Avril, die noch als Teenagerin ihr Erfolgsalbum „Let Go“ herausgebracht hat: schon ihr aktuelles Album „Love Sux“ kehrt musikalisch und textlich zurück zu diesen frechen, lässig-coolen Wurzeln. Was auch in die Hose hätte gehen können (eine 38-jähige die singt „Bois Lie, but I can, too“ könnte man auch cringe finden!) wirkt ehrlich und leicht und macht dazu großen Spaß. Die Setlist besteht zu gleichen Teilen aus Songs von ihren 2002-Album „Let Go“ und „Love Sux“: wer schon Karten für die „Head Above Water“-Tour von 2020 hatte und sich darauf explizit gefreut hat muss bis zur Zugabe warten um den Titelsong performt zu hören. Dennoch ist es keine reine Nostalgie-Party: die Songs von „Love Sux“ komplementieren ihre alte Diskografie. Sie lassen ihre Hits von Anfang der 2000er strahlen, stehen aber auch für sich selbst.

Party aus Alt und Neu

Avril startet mit „Bite Me“ und „What the Hell“ ins Konzert um dann direkt an dritter Stelle ihren Welthit „Complicated“ zu spielen. Wer so viele Hits wie sie zur Verfügung hat, kann natürlich auch ganz lässig einen Song wie „Complicated“ an dritter Stelle spielen. Ihre Show teilt sich in mehrere Blöcke ein, die von längeren Instrumentals durch ihre Band und szenische Video-Kollagen voneinander abgegrenzt werden. Das ist zwar irgendwie cool, dämpft manchmal jedoch etwas die aufgepeitschte Stimmung, die Avril davor durch ihre Perfomance erzeugt hat und hinterlässt am Ende des knapp 90-minütigen Sets die Frage, ob sie stattdessen nicht besser ein paar mehr Songs gespielt hätte.

Love Sux but Let Go

Neben „Bite Me“ spielt sie „Love Sux“, „Love It When You Hate Me” und “I´m A Mess” von ihrem aktuellen Album, als Cover „Wannabe“ von den Spice Girls zusammen mit ihrem Voract Phem. Dazwischen performt sie querbeet die größten Hits ihrer Diskografie wie „Girlfriend“ und „My Happy Ending“. Sie schließt die Show phänomenal mit „Sk8er Boi“, der Song holt das gesamte Publikum ab und bringt nochmal jede verbleibende Energie zum Vorschein. Als Zugabe spielt sie zwei Balladen („Head Above Water“ und „I´m With you“) bei denen sie nochmal beweist, dass sie nicht nur eine tolle Performerin und Songwriterin, sondern auch eine begnadete Sängerin ist. Ihre Stimme füllt das Palladium mit einer unglaublichen Wucht und Stärke, die nach ihrem frechen und lässigen Auftritt davor fast überrascht. Mit „Here´s To Never Growing Up“ und einer letzten Konfettikanone verabschiedet sie sich dann endgültig.

Zurück zu den Wurzeln

Mit ihrem Love-Sux-Album und nun der dazugehörigen Welttour kehrt Avril Lavigne nach fast 10 Jahren, in denen sie musikalisch etwas experimentiert hat, zurück zu ihren Ursprüngen. Sie zeigt, dass Lässigkeit und Coolness gepaart mit ihrer zeitgleich starken und jugendlich klingenden Stimme ihre Alleinstellungsmerkmale sind und sie heute genauso wie vor 20 Jahren ihr Publikum begeistern kann. Sie wirkt authentisch cool und ehrlich interessiert an ihrem Publikum (und an Köln! Auf Instagram teilt sie ihren Ausflug auf die Deutzer Rheinterrassen und in den Kölner Dom), ist eine Profi-Performerin und weiß, was das Publikum von ihr will. Einzig zu bemängeln ist ihre recht kurze Setlist von 13 Songs, da wäre sicher etwas mehr drin gewesen. Gefehlt haben auch „Bois Lie“ und „Cannonball“ als Hits von ihrem aktuellen Album. So war das Konzert eher eine Reise durch ihre Diskografie als eine nachgeholte „Head-Above-Water“ und vollwertige „Love-Sux“-Tour.