Die Bewohner:innen des kleinen transsilvanischen Dorfes jubeln vor Freude. Nach jahrelanger Gefahr und Strapazen durch die Experimente des exzentrischen Wissenschaftlers, ist Viktor von Frankenstein endlich verstorben. Niemand wird mehr die Ruhe des Dorfes stören, glauben sie zumindest. So beginnt das Musical Frankenstein Junior, das seit dem 20. August im Opernhaus des Theater Bonn zu sehen ist.
Basierend auf dem gleichnamigen Film von Mel Brooks aus dem Jahr 1974 wird die Geschichte von Viktors Enkel Frederick Frankenstein erzählt. Dieser will mit der Familie eigentlich überhaupt nichts zu tun haben. Er arbeitet als hochangesehener Neurochirurg und nennt sich „Fronkensteen“, um ja jede Verbindung zu seiner Familie zu kappen. Doch nach dem Tod seines Großvaters muss Frederick nach Transsilvanien reisen, um den Nachlass zu regeln. Dort angekommen ist er schließlich doch fasziniert von den Experimenten. Zusammen mit Gehilfe Igor, Dorfschönheit Inga und Haushälterin Frau Blücher versucht er im Labor des Familienanwesens eine Leiche zum Leben zu erwecken. Doch wie sollte es anders sein: Sie erschaffen dabei ein Monster, das kurzerhand das transsilvanische Dorf in Angst und Schrecken versetzt.
Horrorparodie in schwarz-weiß
Was sich zuerst liest wie ein Frankenstein Sequel ist eigentlich eine Parodie auf Horrorfilme aus den 1930ern. Darin nimmt Mel Brooks verschiedenste Filmklischees auf die Schippe. Der Film Frankenstein Junior war so erfolgreich, dass er schließlich, ebenfalls von Mel Brooks, als Musical adaptiert wurde und 2007 am New Yorker Broadway Premiere feierte. Die Bonner Inszenierung bleibt dieser Hommage an 30er Horrorfilme treu. Zu Beginn wird auf einem semi-transparenten Vorhang in flimmernden schwarz-weiß Buchstaben der Titel eingeblendet. Während des Stückes ziehen sich immer wieder grelle Blitze über das dunkle Bühnenbild, was eine fantastisch gruselige Atmosphäre erzeugt.
Abwechslungsreiches Bühnenbild
Die Bühne verwandelt sich leicht von Frederick Frankensteins Hörsaal in das transsilvanische Dorf, das Familienanwesen und ein Zirkuszelt. Die Übergänge lassen die Szenenwechsel beinahe nahtlos erscheinen. Und dazu sind im Bühnenbild immer wieder kleine Kniffe versteckt wie das sich drehende Bücherregal, das den Geheimgang zu Frankensteins Labor versteckt oder der Labortisch, der von Seilen bis unter die Decke gezogen werden kann. Aber es gibt nicht nur Verweise auf alte Horrorfilme, denn während des Stücks laufen auch immer wieder moderne Filmfiguren über die Bühne. So zum Beispiel die Zwillinge aus „The Shining“, eine Figur im gelben Regenmantel mit rotem Ballon aus Stephen King’s „Es“ und Wednesday Addams.
Eine rasante und mitreißende Show
Das Ensemble wechselt spielerisch zwischen Frankensteins Familie, den Dorfbewohner:innen, den Studierenden von Frankenstein und Schiffspassagieren hin und her. Die Hauptdarsteller:innen glänzen ebenfalls in ihren Rollen und hauchen ihren jeweiligen Charakteren mit viel Elan Leben ein. Die Musik ist durchsetzt von Jazz und Swing und die Choreografien sind jedes Mal schwungvoll und mitreißend, sei es der Stepptanz zu Puttin’ on the Ritz oder die Performance von Transylvania Mania. Am meisten lebt die Horrorkomödie aber von ihrem Humor. Vor allem die Situationskomik funktioniert in vielen Momenten, zum Beispiel wenn Igor aus Versehen dass Gehirn des Monsters fallen lässt oder das sich drehende Bücherregal für Verwirrung sorgt. Aber abgesehen davon will man bei dem Rest der Witze meist einfach nur den Kopf schütteln.
Sexismus als Punchline
Hauptsächlich besteht der Humor des Stückes aus sexuellen Anspielungen und zweideutigen Witzen. Das funktioniert teilweise auch und ist ja im Prinzip nicht verwerflich, wenn der Großteil dieser Witze nicht puren Sexismus als Pointe hätte. So wird Inga ab dem ersten Aufeinandertreffen mit Frederick permanent objektifiziert und sexualisiert. Ihr Dirndl ist weit ausgeschnitten und so wird ihr natürlich viele Male auf die Brüste gestarrt. Ihr erster Song Roll dich im Heu ist nicht nur textlich sehr zweideutig, sondern wird durch ihre sexuell konnotierten Positionen auf dem wackelnden Heuwagen noch verstärkt. Als blonde Frau hat Inga dem Stereotyp entsprechend bis auf ihre leicht dümmliche naive Persönlichkeit und ihren Körper keine handlungstragende Funktion. Zudem läuft Frederick, als er zum ersten Mal in das Labor seines Großvaters heruntergeht, eine „eklige, weiße, heteronormative, cis Ratte“ über die Füße. Was als gesellschaftskritische Reflektion über Privilegien verstanden werden könnte, brachte vor allem das ältere Publikum zum Lachen. Dass cis, weiß und heteronormativ dabei in erster Linie nur Beschreibungen sind, wird nicht ernst genommen.
Unangenehmer Beigeschmack
Am schlimmsten ist jedoch die Szene, in der das Monster Fredericks Verlobte Elizabeth entführt, bedrängt und versucht sie zu vergewaltigen. Als die beiden schließlich auf der Seitenbühne verschwinden hört das Publikum einen erstaunten Laut von Elizabeth. Es wird impliziert, dass diese begeistert von dem großen Penis des Monsters ist. Es ist, gerade als Frau, wirklich unangenehm anzuschauen, wie sexuelle Belästigung dargestellt und ja beinahe romantisiert wird. Aber auch Männern kann diese Szene (un)bewusst zusetzen, da hier weiterhin ein absurdes Körperideal proklamiert wird. Zum Schluss mündet diese Szene in große Liebesbekundungen und einer Beziehung zwischen Elizabeth und dem Monster. So bekommt das Stück stetig einen faden Beigeschmack.
Das Monster gar nicht erst wecken
An sich ist Frankenstein Junior also ein mitreißendes und gut inszeniertes Musical, doch gerade weil es eine Parodie ist, ist der Humor so ausschlaggebend. Und dieser Humor ist im Kern eben purer Sexismus. Natürlich ist das Stück ein Dokument seiner Zeit, was die Problematik nicht entschuldigt, aber wenigstens erklärt. Dennoch ist es gerade dann wichtig, diese problematischen Aspekte einzuordnen oder stattdessen neuere, progressivere Stücke zu zeigen. Inhalte wie diese lassen Sexismus lächerlich erscheinen, normalisieren weiterhin die Objektifizierung von Frauen und romantisieren sexuelle Belästigung. Alles verschleiert als vermeintlich alberner Humor. Gerade heute, wo wir doch alle etwas sensibilisierter sein sollten was Mysogynie und Sexismus angeht, scheint es komplett aus der Zeit gefallen, ein Stück wie dieses noch zu zeigen. Vielleicht hätte man dieses Monster daher also gar nicht erst wecken sollen.