Letztes Wochenende war ich auf dem Rocco del Schlacko Festival im Saarland, habe viel getanzt, mitgesungen, geschwitzt, mir aber auch einige Fragen gestellt. Von alldem handelt dieser Artikel.
Sonne und Staub
Fangen wir erstmal mit den Basics an: das Wetter war super – wenn man auf Sonne und Hitze steht.
Im Vorhinein hatten wir ein bisschen Angst davor, dass vier Wasserstellen für die 26.000 Besucher*innen zu wenig sind, dass war aber voll okay. Wir brauchten nicht allzu lange dorthin, mussten nicht lange warten und konnten uns sogar ein bisschen waschen (Duschen gab es nämlich leider keine).
Was das Wetter noch mitgebracht hat, war eine etwas apokalyptische Atmosphäre, die durch den ganzen aufgewirbelten Staub verursacht wurde. Die Staubwolken, die über den Moshpits in die Luft gestiegen sind, haben aber irgendwie auch zur Stimmung gepasst.
Bunter Musikmix von Indie bis Rock
Auch wenn das Festival ja sogar Rocco im Namen hat, habe ich statt Rock erstmal den typischen bonnFM Sound erwartet: Provinz, AnnenMayKantereit, Leoniden, Kummer. Die Indie-Pop Richtung war auf jeden Fall vertreten und hat mich dolle abgeholt. Zusätzlich waren aber auch noch andere Musikrichtungen vertreten, von Rap über Folk bis hin zu Rock war wirklich alles dabei.
Dadurch konnte ich viele neue Künstler*innen entdecken, die ich gar nicht so auf dem Schirm hatte, was ziemlich cool war. Trotzdem war Biffy Clyro als Rockband und Headliner direkt nach SDP ziemlich überraschend und diesen harten Bruch in der Musik musste ich auch erstmal ein bisschen verarbeiten.
Ein Thema, das man so leider bei ziemlich vielen Festivals kritisieren kann, ist auch hier der Frauenanteil gewesen. Die Frauenquote auf der Bühne betrug nur 7%, von den Headlinern war niemand weiblich. Dass es da noch Luft nach oben gibt, ist denke ich klar! Hoffen wir also im nächsten Jahr auf Musik, die nicht nur männlich geprägt ist.
Trotzdem: die bunte Mischung an verschiedenen Musikstilen hat mir richtig gut gefallen und meinen Musikgeschmack auch nachhaltig (sofern ich das nach einer Woche sagen kann) verändert. Auf meiner Spotify-Playlist sind jetzt auf jeden Fall viele neue Künstler*innen, von denen ich vorher gar nicht wusste, dass ich insgeheim ein kleines Fangirl bin.
Das Saarland (und die Menschen dort)
Für mich war es der erste Besuch in dem Bundesland, dass man sonst nur von mehr oder weniger lustigen Inzest-Witzen kennt.
Sehr interessant war der vorherrschende Lokalpatriotismus: Sobald ein*e Künstler*in auf der Bühne „Saarland asozial“ gesagt hat, ist das gesamte Publikum in den Sprechchor „Saarland asozial – schalalalala“ eingestiegen, und war kaum noch zu bremsen. Diese etwas merkwürdige Identifikation war mir erstmal ziemlich suspekt, wurde aber mit der Zeit zugegebenermaßen immer lustiger.
So asozial waren die Menschen dort dann aber doch nicht. Es wurde, wie auf jedem Festival, viel getrichtert und Flunkyball gespielt. Unangenehm betrunkene Menschen sind mir aber kaum aufgefallen. Das einzig nervige waren für mich persönlich Menschen, die die ganze Zeit zwanghaft versucht haben Moshpits zu starten und damit teilweise die Konzertatmosphäre zerstört haben. Moshpits sind cool, ok, aber passen dann doch irgendwie nicht zu jedem Song.
Ist Zigarettenwerbung noch zeitgemäß?
Das größte Manko an dem Festival war für mich das ziemlich aufdringliche Sponsoring eines Zigarettenherstellers. Die Werbung war wirklich omnipräsent, überall konnte man im Tausch für seine Daten eine gratis Packung und gratis Merchartikel der Marke bekommen, was auch einige in Anspruch genommen haben. Soweit so gut, aber sogar auf dem Campingplatz und in der Crowd vor der Bühne wurden durch mobile Verkäufer*innen Zigaretten verkauft. Als wenn das noch nicht genug wäre, hatte der Hersteller auch noch eine kleine DJ-Bühne direkt neben der zweiten Hauptbühne des Festivals, die ihre Größe durch ziemlich laute Musik wett gemacht hat. Das hat dann dazu geführt, dass bei Konzerten in ruhigeren Momenten irgendwelche Charts-Musik die Atmosphäre zerstört hat. Nichtmal bei Konzerten die Musik leiser zu drehen, das finde ich schon krass respektlos.
Bleibt außerdem die Frage, wie zeitgemäß es ist, betrunkenen Menschen Zigaretten zu schenken und so eventuell irgendwelche Süchte zu triggern. Interessant dazu: Das Verteilen von Gratis-Proben ist in Deutschland seit 2021 verboten. Keine Ahnung ob dieses Verbot umgangen wurde, weil man die Probe nur als „Bezahlung“ für die Daten bekommen hat, die man vorher im Internet über sich preisgeben musste, fragwürdig ist das aber allemal.
Fazit
Insgesamt auf jeden Fall ein Wochenende, das von Extremen geprägt war und mir lange in Erinnerung bleiben wird. Extrem heiße Tage und extrem kalte Nächte, extrem gute Musik, extrem nervige Werbepartnerschaften und extrem wenig Schlaf, aber auch extrem viel Spaß. Auf jeden Fall ein tolles Wochenende und wenn Dinge wie die Frauenquote und mögliche Kooperationspartner*innen nochmal überdacht werden, freue ich mich aufs Rocco del Schlacko 2023!