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Konservative Frauen als Machtfaktor in den USA

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„Eigentlich dürfte ich nicht existieren“ mit dieser Selbstbeschreibung einer selbsternannten konservativen Feministin und Republikanerin beginnt Juliane Schäuble ihre Lesung bei der Bonner Akademie für Forschung und Lehre praktischer Politik (BAPP). Im Laufe der Veranstaltung liefert sie Einblicke in eine oft übersehene Welt von konservativen Frauen und ihrem politischen Einfluss auf die USA, einem Land, das sich immer weiter selbst zu zerreißen scheint.

Am Montag, den 16. Januar veranstaltete die BAPP eine Lesung mit Juliane Schäuble, US-Korrespondentin des Tagesspiegels, zu ihrem mit Co-Autorin Annett Meiritz geschrieben Buch “Guns N‘ Rosé”. Das Thema: konservative Frauen als Machtfaktor. Die Journalistinnen interviewten dafür verschiedene Aktivistinnen und Politikerinnen der republikanischen Partei. Für die Veranstaltung las Juliane Schäuble zunächst Passagen aus dem Buch vor, um dann mit Moderator Marc Steinhäuser vom Phoenix zu diskutieren und schlussendlich Fragen aus dem Publikum zu beantworten.

Abtreibungsverbot und Schulpolitik im Fokus

Faith Family Freedom, unter diesem Motto treffen sich Frauen in einer von der republikanischen Partei organisierten Veranstaltung, die im Buch portraitiert wird. Die Positionen sind klar: Gegen Abtreibung, für die Polizei und für mehr Deregulierung. Einig sind sie sich auch in der Ansicht, dass die Republik vor radikalen Linken zu retten sei.

Ein Brandbeschleuniger war dabei auch die Auswirkungen von Corona. Durch das Virus wurde auch in den USA über Maskenmandate und Online-Unterricht diskutiert. Eltern sind in den USA durch School Boards direkt an Lehrplänen und auch bei der Bücherauswahl beteiligt. Neben den Konflikten um Masken, realisierten viele konservative Eltern durch den Online-Unterricht, was genau in den Schulen ihren Kindern beigebracht wird. Durch Vorfeldorganisationen konnten die Republikaner somit den in den Medien tobenden Kulturkampf insbesondere zum Verhältnis der USA zu ihrer rassistischen Geschichte direkt in die Klassenzimmer tragen.

Zwischen dem Verlangen kein Opfer zu sein, Abwehrkampf und Präsidentschaft

Konservative Feministen erscheinen vielen wie ein Widerspruch in sich. Doch so bezeichnen sich die von den Autorinnen interviewten Frauen teilweise selbst. Ein Teil ist eine Trotzreaktion auf Vorwürfe von Prominenten Demokratinnen, wie Michelle Obama. Die ehemalige First Lady hatte Frauen, die Trump wählten, vorgeworfen sich gegen ihre eigene innere Stimme gewandt zu haben. Zum anderen haben viele konservative Frauen tiefe religiöse Überzeugung, wie dass Abtreibung Mord sei, und fühlen sich damit nicht von den aus ihrer Sicht linken Feministinnen repräsentiert. Auch gibt es das Gefühl, dass man nicht in einer Opferrolle verharren will, sondern sich allen Widerständen zum Trotz im politischen Feld durchsetzen will. Es gebe auch keinen Widerspruch zwischen Karriere und Kindern.

Teilweise haben sie schon Erfolg. Nikki Haley war UN-Botschafterin unter Trump, Elise Stefanik ist in der Führungsriege der Republikaner im Unterhaus, Victoria Spartz ist eine ukrainisch stämmige Abgeordnete im Repräsentantenhaus. Sie wurde bekannt als sie Joe Bidens Rede zur Lage der Nation kontrastierte. Juliane Schäuble zählt auch die schrillen Trump-Unterstützerinnen Marjorie Greene und Lauren Boebert in diesen Kreis konservativer Frauen. Das mag verwundern, denn häufig unterscheiden Beobachter zwischen „normalen“ Konservatismus und Rechtspopulismus bzw. Rechtsradikalismus. In den USA ist diese Linie allerdings sehr verschwommen bzw. nicht existent, was auch ein Einfluss des Zwei-Parteien-System ist.

Bild: BAPP/ Dirk Baumbach

Die Journalistin erklärte, dass für viele religiöse Frauen Trump ein guter Präsident war. Schließlich führten seine Nominierungen dazu, dass der Supreme Court das Urteil Roe v. Wade im letzten Jahr aufhob. Roe v. Wade hatte ein großzügiges Abtreibungsrecht verankert und war in konservativen Kreisen verhasst.

Auch befindet sich die USA in einem demographischen Wandel. So wird das Land diverser und auch die Religiosität nimmt ab. Religiöse Menschen und ihre Einstellung sind somit nicht mehr numerisch mehrheitsfähig und verlieren langfristig somit an Bedeutung.

Gegen diesen Bedeutungsverlust führen auch konservative Frauen einen erbitterten Abwehrkampf. Ein unperfektes Werkzeug wie Trump ist damit gerechtfertigt, um der angeblich linken Repression entgegenzuwirken. Trumps offensichtlicher Sexismus und Rassismus ist aus dieser Sicht eine ärgerliche Nuance, die aber dem größeren Ziel nicht entgegensteht.

Um zu verstehen, wie drastisch Demokraten gesehen werden, lohnt es sich über die Veranstaltung hinaus einen Blick in die Vergangenheit zu werfen. Im September 2016 verglich ein Autor des konservativen Claremont Institut, die Wahl zwischen Hillary Clinton und Donald Trump mit dem Flug 93. Dieser Flug war eine von vier Maschinen, die am 11. September 2001 von Al-Qaeda Terroristen entführt wurde. Die Passagiere erfuhren durch Telefonate, dass entführte Flugzeuge für Anschläge verwendet wurden und versuchten das Cockpit wieder unter Kontrolle zu bringen. Schlussendlich stürzte das Flugzeug über einem Feld ab, erreichte aber nie das von den Terroristen intendierte Ziel. Die Idee bei der Anspielung: Dass der Konservatismus sterben wird, man aber mit der Wahl Trumps die minimale Chance auf das Überleben hat wie bei dem Sturm auf das Cockpit. Demokraten sind somit keine politischen Gegner, sondern eine existenzielle Bedrohung, bei der jedes Mittel gewählt werden muss, um eine Chance zu bewahren.

Zur Machtfrage gehört in den USA selbstverständlich auch die Frage nach Präsidentschaftskandidaturen und, ob die konservativen Frauen schon 2024 eine erfolgreiche Kandidatin stellen kann. Neben der seit 2016 für Journalist:innen eingeübten Floskel, dass man in für die USA keine zuverlässigen Prognosen mehr stellen kann oder will, glaubt Juliane Schäuble nicht, dass eine Frau 2024 eine Kandidatur in der republikanischen Partei erringen kann. Auch wenn Kristi Noem als wahrscheinliche Kandidatin für den Posten der Vizepräsidentin gilt. Aufgrund der Interviews glaubt sie aber, dass die erste Präsidentin der USA eine Republikanerin sein wird. Schließlich trainiere die männlich geprägte Partei die Aspirantinnen sich durchzusetzen und Härte zu zeigen.

Gelungener Einblick in die USA

Gegen Ende des moderierten Abschnitts gab es ein Schlaglicht zu den tagesaktuellen Themen aus den USA, also die Wahl McCarthys, geheime Dokumente in Präsident Bidens Garage und die Rolle von Vizepräsidenten Kamala Harris. Inhaltlich waren diese Einblicke nicht mehr so tiefgehend und dementsprechend je nach Wissenstand entweder gut servierte Häppchen an Informationen oder ein schon bekannter Schlagzeilensalat.

Alternativ hätte es sich angeboten weiterhin beim Thema der konservativen Frauen zu bleiben. Durch Publikumsfragen erklärte Juliane Schäuble, dass der Riss zwischen Demokraten und Republikanern mitten durch Familien geht und die konservativen Frauen zwar eine Minderheit seien durch die knappen Ergebnisse aber jede kleinste Verschiebung zählt. Der Aspekt, dass durch die systematischen Verzerrungen des politischen Systems der USA, wie z.B. dem Electoral College, eine gut organisierte radikale Minderheit die numerische Mehrheit vollkommen blockieren und sogar beherrschen kann, hätte noch mehr hervorgehoben werden können. Schließlich ist es mit der fortschreitenden Radikalisierung der Republikaner plausibel, dass die Verzerrungen zu einer Minderheitsherrschaft ausgebaut werden, die schlussendlich die Demokratie an sich aushöhlt.

Insgesamt bot der Abend bei der BAPP über den oft wenig beachteten Blickwinkel von konservativen Frauen einen guten Einblick in das Geschehen in der amerikanischen Innenpolitik.