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Bild: bonnFM

Spieglein, Spieglein an der Wand, wer hat die schönsten Schuhe im ganzen Land

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Täglich opfern Frauen ihren Komfort, um den Schönheitsidealen unserer Gesellschaft zu entsprechen. Seien es die hohen Schuhe, die das Leben zu einem Balanceakt machen oder die Jeans, die einem die Luft abschnüren, der Hintern aber toll darin aussieht. Ein Appell an alle, die auch im Bann des Schönheitszwangs unserer Zeit stehen.  

Bigfoots Probleme

Ich war vor ein paar Tagen mit meiner Mutter Schuhe kaufen. Mit einer Größe von 42 ist das meist kein leichtes Unterfangen, doch ich wagte mich hinein in den Schuh-Dschungel. Ich nahm die Herausforderung an, nach den coolen ,,Reinschlüpf-Loafers“, die aktuell so viele tragen, zu suchen. Schweißgetränkt, zwei innerliche Nervenzusammenbrüche und diverse Quetschblessuren später hatte ich immer noch kein passendes Paar gefunden. Der Schuh-Marathon schien wohl dieses Mal erfolglos zu enden. Denn jede mit größeren Füßen weiss, dass die Anzahl der Schuhregale proportional zur Schuhgröße abnimmt. Frauen mit Füßen über der Größe 43 dürfen gefühlt nicht existieren, zumindest finden sie in den meisten Schuhgeschäften keine Angebote. Aber nicht nur große Füße haben Probleme in unserer Gesellschaft ihren Platz zu finden —  alles, was nicht der ,,Norm”  entspricht, ist nicht wirklich erwünscht. 

Die Hungerspiele der Modewelt

Das beginnt schon damit, dass Superstars wie Beyoncé sich mit diversen Diäten runter hungern sollen, damit ihnen ein bestimmtes Kleid passt. Für ihr Met Gala Dress von 2015 erzählt sie, habe sie sich an eine strikte Diät gehalten – aber sollte Kleidung nicht eigentlich der Person passen als andersherum? Unzählige kurvige Frauen wie Christina Hendricks oder Ashley Graham erzählten in verschiedenen Interviews davon, wie sie von großen Modehäusern abgelehnt wurden, da sie sich weigerten, Frauen einzukleiden, die nicht einer Size 0 oder 2 entsprechen. Zum besseren Verständnis: Eine Size 0 entspricht in Deutschland der Kleidergröße 32, was bei uns als Kindergröße verkauft wird. Somit scheinen selbst Berühmtheiten nicht wichtig genug zu sein, damit Kleidung für Frauen Körper hergestellt werden. Stattdessen wird ein imaginäres Ideal verfolgt, das sich an Kinder Körpern orientiert, was auch auf einer ganz anderen Ebene problematisch ist. Damit wird es für uns Otto Normalverbraucher erst recht schwer, das Gefühl zu bekommen, man dürfe in seinem Körper einfach existieren. 

Körper, versteck dich, der Sommer kommt

Ich dachte eigentlich, dass inzwischen die meisten wüssten, dass man etwas gegen die toxischen Beauty-Ideale unserer Zeit tun muss. Aber man muss nur durch Bonn spazieren, um zu wissen, dass dieses Thema wohl für eine lange Weile nicht beendet sein wird. Solange Fitnessstudios mit Slogans wie ,,Erst die Arbeit und dann der Sommer” werben und somit im Kern die Idee verbreiten, dass ein nicht auf bestimmte Art trainierter Körper im Sommer nicht gezeigt werden sollte, haben wir noch einen weiten Weg vor uns. Auch wenn diese Beauty-Ideale natürlich nicht nur Frauen betreffen, sondern Männer ebenfalls ihr Päckchen zu tragen haben, scheint es mir als würden aber insbesondere Frauen unter Druck gesetzt werden, sich diesem Ideal anzupassen. Ich vermute, dass vor allem Frauen solche Situationen erleben: Beim Besuch meiner Oma gibt sie mir einen Klaps auf den Hintern und kommentiert dabei beiläufig, ich hätte „aber ein bisschen zugelegt“. Komisch – mein Bruder wurde bisher nicht auf diese Weise auf sein Gewicht angesprochen.

Ideale, bei denen man nur verlieren kann

Neben des eindeutig sexistisch motivierten Schönheitsideals unterstützen solche Vorstellungen existierende Macht Dynamiken, die eine dünne-, weiße-, eurozentrische-, und behindertenfeindliche Norm bevorzugen. In so einem Fall kann man nicht gewinnen — besonders als Frau, wie America Ferrera uns einprägsam mit ihrem Monolog in dem Film Barbie gezeigt hat. In diesem Sinne sollten wir alle versuchen, das Konzept enclothed cognition — also die Idee, dass Kleider einen psychologischen Einfluss auf uns haben — für unseren Vorteil zu nutzen. Sich in Kleidung, die einem passt und gefällt, empowered zu fühlen ist wichtig. Zudem positive Narrative zu stärken, welche Kleidung normalisieren, die zu unserem Leben und Körper passen. Man verschwendet so viel Zeit damit einem Schönheitsideal hinterherzulaufen —  genau genommen ⅙ unserer Lebenszeit soll laut National Geographic dafür geopfert werden. Das entspräche bei einer durchschnittlichen Lebenserwartung der Frauen von 83 Jahren fast 14 Jahre. Das ist ein ganzes Katzenleben. Das ist länger als die Gesamtlaufzeit von The Walking Dead. Und was soll ich sagen, keine Anti-Falten-Creme kann uns diese ganzen Jahre wiederbringen. 

,,Nur über meine Leiche!”

Die Veränderung muss aber zunächst bei einem selbst beginnen. Das habe ich auch bei meinem Schuh-Marathon feststellen müssen. Meine Mutter hielt mir irgendwann ein paar Sandalen hin, die ich lediglich anprobieren sollte, um zu testen, ob diese Schuhart eventuell etwas für mich sei. Besagte Schuhe sind oben auf dem Bild zu sehen und da ich einen leichten Hang zur Dramatik hege, waren die ersten Worte, die meinen Mund verließen:,,Nur über meine Leiche!” Ich war mit dem Ziel dahin gekommen, modische Loafers zu ergattern und die Tatsache, dass wir bei diesen Latschen angekommen waren, fühlte sich wie ein persönlicher Tiefpunkt an. Da es vermeintlich nicht schlimmer kommen konnte, probierte ich sie an und war daraufhin kurz den Tränen nahe, da es sich so anfühlte, als würde ich barfuß in Schuhen gehen – kurzum sehr angenehm. Wenn man dazu bedenkt, dass ich schon mehrere Fuß-Operationen hinter mir habe und meine Füße ein wenig empfindlich sind, war mein kleiner Anfall schon ein wenig peinlich. Verdeutlicht aber nur noch einmal, wie sehr uns gewisse Schönheitsvorstellungen beeinflussen und sich dann eben bei so ,,banalen” Dingen wie dem Kaufen von (nicht ganz so schönen) Sandalen äußern. Aus diesem Grund kann ich nur an alle appellieren, mehr auf die tatsächlichen Bedürfnisse des eigenen Körpers zu hören und einfach öfter mal die bequemen Sandalen zu kaufen…