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Der belarussische Volny Chor (übersetzt "freier Chor") bei der Eröffnung des Global Media Forums 2023 im ehemaligen Plenarsaal. Sie tragen Masken um Verfolgung zu entgehen. Quelle: Deutsche Welle

Overcoming Divisions – DW Global Media Forum 2023 stellt sich aktuellen Herausforderungen des Journalismus

Lesezeit: 5 Minuten

Mehr als 2.000 Teilnehmer:innen aus über 120 Ländern nahmen im World Conference Center Bonn sowie digital am DW (Deutsche Welle) Global Media Forum 2023 teil. Das Thema der Medienkonferenz vom 19-20. Juni lautete „Overcoming Divisions“. Denn in einer Welt, die durch Kriege und Krisen zerrüttet wird und wo Digitalisierung stetig zunimmt, werden Spaltungen in der Gesellschaft immer mehr erkennbar.

Bereits zum 16. Mal lädt die Deutsche Welle zum Global Media Forum ein. Medienschaffende und einflussreiche Persönlichkeiten aus aller Welt kommen hierzu in Bonn zusammen, um gemeinsam über schwierige Fragen zu diskutieren: „Wie kann Journalismus uns dabei helfen Spaltungen zu überwinden?“ oder „Wo tragen wir auch Verantwortung dafür, dass es so viele Spaltungen gibt?“

Dabei müssen Spaltungen nicht immer negativ sein, wie der Intendant der Deutschen Welle Peter Limbourg treffend herausstellt: „Als Demokrat:innen brauchen wir Dispute, um den richtigen Weg zu finden.“ Doch insbesondere in Zeiten von Krisen drohen Spaltungen die Gesellschaft zu sprengen. Hier wird die Bedeutung von Journalist:innen besonders deutlich. Sie vermitteln nämlich in verständlicher Weise vertrauenswürdige Informationen und bauen mit ihrer Berichterstattung Brücken zwischen unterschiedlichen Meinungen und Kulturen. Allerdings sehen sich auch Journalist:innen mit aktuellen Herausforderungen, insbesondere den Folgen der Digitalisierung, konfrontiert. Sie müssen zukunftsträchtige Zahlungsmodelle finden und lernen, Social Media sowie künstliche Intelligenz zu ihrem Vorteil zu nutzen. Innerhalb der zwei Tage wurde das Thema „Overcoming Divisions“ in unterschiedlichster Art und Weise aufgegriffen und zeigte, dass Spaltungen viel tiefer und weitläufiger sind, als man im ersten Moment denkt.

Künstliche Intelligenz und der Kampf gegen Desinformation

Kriege sind besonders erschütternde Beispiele für Spaltungen in der Gesellschaft. Daher war auch der Krieg in der Ukraine ein großes Thema beim Global Media Forum 2023. Doch auch auf Konflikte und Krisen fernab von Europa wurde während der Konferenz eingegangen. So demonstrieren diese leider in exemplarischer Weise, welche Gefahren und Probleme Journalist:innen bei ihrer Berichterstattung zu überwinden haben. Dabei geht es nicht nur um die Lage vor Ort im Kriegsgebiet. Auch im Internet und in den sozialen Medien herrscht „Krieg“. Systematisch werden Desinformationen und Verschwörungstheorien verbreitet. Dabei wird es immer schwieriger zu unterscheiden: Welches Bild ist echt und welches ist bearbeitet? Das Gleiche gilt auch für Texte, Audiodateien oder jegliche andere Darstellungsmedien.

Das Verifizieren von Informationen gehört zu einer der Hauptaufgaben der Journalist:innen in der digitalen Welt, nicht nur bei der Kriegsberichtserstattung. Künstliche Intelligenz hat aber nicht nur die Manipulation von Information möglich gemacht. Algorithmen filtern Informationen und geben bestimmten Meinungen und Weltansichten eine laute Stimme. Durch Social Media verbreiten sich diese in Windeseile und können die Glaubwürdigkeit von Journalist:innen, sowie möglicherweise auch politische Entscheidungen beeinflussen.

Melissa Fleming, die UN-Untergeneralsekretärin für globale Kommunikation, sagte während der Konferenz zudem, dass man durch den Aufstieg von Social Media bei den Menschen eine Übersättigung von Informationen, besonders negativer Berichte, beobachten könne. Dadurch haben sich vielerorts Bewegungen gebildet, die sich für einen konstruktiven Journalismus stark machen, der neben der Berichterstattung auch mögliche Lösungen aus Krisen aufzeige. Die klassischen fünf W-Fragen der journalistischen Arbeit sollen durch ein „Was jetzt?” ergänzt werden.

Social Media als Sprachrohr für Protestbewegungen

Sind Social Media und digitale Plattformen daher eine Gefahr für den Journalismus und die Demokratie? So einfach ist es nicht. In Russland sind mittlerweile fast alle unabhängigen Medien geschlossen worden. Der russische Journalist und Friedensnobelpreisträger Dmitry Muratov machte in seiner Rede auf dem Global Media Forum auf die Bedeutung der Plattformen aufmerksam: „Wir dürfen nicht zulassen, dass YouTube gesperrt wird. Wir dürfen nicht zulassen, dass Wikipedia gesperrt wird. Diese sind die letzten Plattformen, über die Journalistinnen und Journalisten noch Inhalte verbreiten können. Wenn YouTube und Wikipedia abgeschaltet werden, dann müssen Ingenieure für die Pressefreiheit kämpfen.“ Schon während des arabischen Frühlings im Jahr 2011 wurde deutlich, wie wichtig Social Media für den Kampf um Freiheit sein kann. Und auch die Journalistin Gilda Sahebi betonte in einer Paneldiskussion, dass Social Media für den Informationsaustausch und die Organisation der Protestbewegungen im Iran essenziell sei.

Die Freiheit des unabhängigen Journalismus ist gefährdet

Außenministerin Annalena Baerbock hat in ihrer Video-Botschaft die Aufgabe von Journalist:innen in unserer Gesellschaft zusammengefasst: „Freie Gesellschaften brauchen freie Medien, um die Wahrheit zu berichten und diejenigen in Machtpositionen zur Verantwortung ziehen“. Die Freiheit von Journalist:innen ist aber bedroht. Reporter ohne Grenzen haben in ihren Untersuchungen festgestellt, dass die Arbeitsbedingungen für Medienschaffende in rund 70 Prozent der Länder weltweit als „problematisch“ gelten. Selbst in Deutschland berichten immer mehr Journalist:innen von Angriffen und Beleidigungen, besonders bei Demonstrationen. In anderen Ländern müssen Journalist:innen aus dem Untergrund berichten oder sogar aus ihren Ländern fliehen, um Zensur, Unterdrückung und Festnahmen zu entgehen.

Eurozentrierung und fehlende Diversität im Journalismus

In einem Panel kamen Journalist:innen aus unterschiedlichen Ländern zusammen, die über ihre Erfahrungen im Exil berichteten. Dazu gehörte auch Fathi Osman. Er stammt gebürtig aus Eritrea. Das Land steht auf Platz 174 von 180 in der Rangliste der Pressefreiheit. Seit 2012 lebt Fathi Osman in Frankreich im Exil. Von dort aus berichtet er mithilfe von Informant:innen im Land über die Lage in Eritrea. Der frühere Diplomat führt einen wichtigen Punkt aus: „Der afrikanische Journalist im Exil ist unterprivilegiert. Er oder sie ist zuunterst.“

Fathi Osman erläutert, dass es ihnen schwer falle, die nötige Hilfe von Regierungen und Organisationen zu erhalten, da Journalist:innen aus anderen Ländern der Welt stets eine höhere Priorität genießen würden. Dies stimmt nachdenklich und führt auch zu weiteren Diskussionspunkten des Global Media Forums: Wurden zu viele Stimmen zu lange ignoriert? Wie steht es um die Förderung von Diversität in den Redaktionen und Medien? Die Berichterstattung über Regionen der Welt, die sich außerhalb der westlichen Sphäre bewegen, ist verhältnismäßig rar. Und selbst wenn über die Lage dort berichtet wird, beschränkt es sich des Öfteren auf Krisenberichte, die nach einer kurzen Zeit wieder aus den Medien verschwinden. Die Bewegung des konstruktiven Journalismus könnte hier ein Schritt in die richtige Richtung sein. Melissa Fleming argumentiert, dass dadurch möglicherweise die Berichterstattung über betroffene Länder auch dann weiterverfolgt wird, nachdem die dort herrschenden Krisen oder Kriegszustände ihren kurzen Auftritt in den Medien hatten. Annalena Baerbock hat in ihrer Rede die Konsequenz von fehlender Repräsentation in der Berichterstattung angesprochen. Warum sollten sich die vernachlässigten Länder über die europäische Friedensordnung kümmern, wenn ihre Probleme bei uns keine Anerkennung finden?

Freedom of Speech Award für Óscar Martínez aus El Salvador

Eine besondere Anerkennung erhielt aber der Investigativjournalist Óscar Martínez aus El Salvador. Er wurde mit dem Freedom of Speech Award ausgezeichnet. Dieser geht jedes Jahr an Personen mit herausragendem Einsatz für Menschenrechte und Meinungsfreiheit. Als Chefredakteur des salvadorianischen Online-Magazins El Faro deckte er Verbindungen des organisierten Verbrechens zur Regierung El Salvadors auf. Durch seine journalistische Arbeit lebt er ständig in Gefahr, wie er in seiner Dankesrede verkündet: „Es wurden Knebelgesetze geschaffen, die Jornalist:innen für bis zu 30 Jahre ins Gefängnis bringen können, wenn sie Informationen über Banden oder deren Abkommen mit den Mächtigen preisgeben“. Doch für Óscar Martínez ist klar: „Schweigen ist keine Option“.

NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst: „Journalist:innen können nicht einfach ersetzt werden“

Schweigen ist sicherlich keine Option, wenn es darum geht Spaltungen zu überwinden und Möglichkeiten zu finden, den Journalismus auch heutzutage zu fördern und auszuüben. Dies bezieht sich nicht nur auf den Journalismus auf internationaler Ebene, sondern auch auf den lokalen Bereich, wie Nathanael Liminski, der Minister für Bundes- und Europaangelegenheiten, Internationales sowie Medien des Landes Nordrhein-Westfalen, im bonnFM-Interview sagt: „Demokratie beginnt vor Ort. Wenn die Menschen vor Ort erleben, dass Gesellschaft und Staat funktioniert, dann glauben sie daran und wollen auch daran teilhaben, mehr noch, teilnehmen und sich engagieren. Darum ist es so wichtig, dass wir Journalisten und Journalistinnen haben, die das covern, berichten, aber auch kommentieren, kritisieren und dadurch vorantreiben.“

Das Global Media Forum hat gezeigt, dass Medienschaffende aus aller Welt trotz ihrer unterschiedlichen Bedingungen mit ähnlichen Problemen konfrontiert sind. Durch den Austausch konnten neue Perspektiven und Lösungswege aufgezeigt werden. Die Konferenz hat auch erneut die Bedeutung von Journalist:innen bewusst gemacht. Der Ministerpräsident von NRW Hendrik Wüst hat es in seiner Eröffnungsrede auf den Punkt gebracht: „Journalist:innen werden immer noch wichtig sein. Nur sie können die Qualität des Journalismus sichern. Ich glaube zutiefst, dass fundierte Nachrichten menschliche Kreativität und Urteilswesen benötigen. Journalist:innen können nicht einfach ersetzt werden, da sie von Anfang an geleitet wurden durch ihre Werte, ihren Hunger nach Wahrheit und Freiheit und oft auch durch ihre Intuition und Bauchgefühl. Dies alles ist mehr als Algorithmen tun können.“