„Wenn man so viel von seinem Herzchen mit einfließen lässt, ist man besonders verletzlich“- Autor Florian Gottschick über seinen queeren Roman „Damals im Sommer“

Lesezeit: 3 Minuten

Sommer, Sonne, Strand und Meer… und die erste große Liebe. Über all diese Dinge schreibt Florian Gottschick in seinem neuen Roman Damals im Sommer, der so viel mehr ist als ein Liebesroman.

Im bonnFM-Interview spricht Regisseur, Drehbuch- und Romanautor Florian Gottschick mit Reporter Joshua Buchen über seinen neuen Roman „Damals im Sommer“ und die Repräsentation queerer Charaktere in seinen Werken.

Ein Sommer zum Erinnern

Florian Gottschicks neuer Roman Damals im Sommer erzählt von einem Sommerurlaub irgendwo am Strand, irgendwann Ende der 90er. Der namenlose Ich-Erzähler ist 15 Jahre alt, introvertiert und nicht besonders sportlich, während sein zwei Jahre älterer Bruder Ferdinand ein Sixpack hat, vorlaut ist und sogar schon Erfahrungen mit Mädchen gesammelt hat. Dieser Urlaub soll das Leben der ganzen Familie verändern.

„Ich saß zwischen den Stühlen: Am Kindertisch war kein Platz mehr für mich, und am Erwachsenentisch schnitten sie mir noch das Schnitzel klein“
Damals im Sommer, Seite 9

An einem Tag begegnet der jüngere Bruder dem Franzosen Filip am Strand. Filip ist ungefähr im selben Alter und fasziniert den Protagonisten mit seinem Lächeln, seinem trainierten Körper und seinen Segelohren. Mit Filip verbringen die Brüder die verbleibende Zeit im Urlaub. Doch für den Ich-Erzähler wird schon schnell klar, dass sich da mehr als nur eine Freundschaft zwischen ihm und dem Franzosen entwickelt.

Unkonkret und trotzdem emotional

Der Protagonist ohne Namen, der Strand ohne Ortung, der Sommer ohne Jahr. Damals im Sommer bleibt bei den meisten Angaben ziemlich unkonkret und konzentriert sich auf das Innenleben der Charaktere, deren Gefühle und Wahrnehmungen. Florian Gottschick gelingt es hervorragend, die Gefühle der Jugendlichen in Worte zu fassen. Wahrscheinlich denkt man sich als Leser:in genau deswegen immer mal wieder: „Woher kennt der Autor meine Geschichte so genau?“, während die Erinnerungen an die eigene Jugend wie ein Kinofilm vor einem ablaufen.

Florian Gottschick wird auch als Regisseur und Drehbuchautor gefeiert. Seine Filme Nachthelle, Fucking Berlin und Du Sie er & wir sind auf verschiedenen Streamingdiensten verfügbar. Es verwundert daher nicht wirklich, dass über seinen Debütroman Henry gesagt wird, dass er wie Kino zum Lesen sei. Auch auf Damals im Sommer trifft das zu. Wie Szenen in einem Film verfliegen die Kapitel im Roman.

Inspiriert vom wahren Leben

Im bonnFM-Interview erzählt Florian Gottschick, dass er Damals im Sommer noch vor seinem zuerst erschienen Buch Henry geschrieben hat. Auch deswegen war die Veröffentlichung nochmal aufregender für ihn. “Wenn man soviel von seinem Herzchen mit einfließen lässt, ist man besonders verletzlich”, gibt er zu und spricht an, dass der neue Roman auch autobiographisch sei. In Damals im Sommer setzt Florian Gottschick mehrere Geschichten zusammen, die er selbst erlebt hat oder, die ihm erzählt wurden: “Die Begegnung, von der ich hier schreibe, die hat mein ganzes Leben verändert und in eine schöne Richtung beeinflusst”.

Coming of Age für Erwachsene

Damals im Sommer ist zeitlos. Immer wieder erinnert der Ich-Erzähler die Leser:innen, dass die Geschichte aus den 90ern auch heute noch ganz ähnlich stattfinden könnte. Egal ob es das Unterhemd ist, das heute Muscleshirt genannt wird, die Schuhe, die auch heute noch modern sind oder das nagende Gefühl etwas zu verpassen, was wir heute als FOMO (Fear of missing out) bezeichnen. Der Erzähler wird nicht müde zu beteuern, dass es kaum Unterschiede zwischen den Jugendlichen damals und heute gibt.

„Ich schaute meine Beine herab und sah meine Chucks in feinem weißem Sand versinken, der nur von wenigen grünen Pflanzen durchsetzt war. Ich streifte die Schuhe ab – sie gingen nur bis unter die Knöchel. Ich besaß diese und auch die knöchelhohen, in neun unterschiedlichen Farben. Die sind bis heute nicht aus der Mode.“
Damals im Sommer, Seite 19

Gottschicks Ich-Erzähler blickt auf seine Jugend zurück, er ordnet seine damaligen Gefühle ein und schmückt das Geschehene literarisch so aus, wie es kein Jugendlicher könnte. Gerade deswegen richtet sich Damals im Sommer nicht nur an Jugendliche. Es ist ein Coming of Age-Roman für Erwachsene, die emotionsgeladen auf ihre eigene Jugend blicken wollen. Außerdem ist es eine kurzweilige Strandlektüre über die erste große Liebe, die wirklich die Macht hat, das ganze Leben zu verändern.