„Frühreif & Verdorben“ oder „Beklatscht & Ausgebuht“, wer wird so schon gerne betitelt? Kleinkünstler, Satiriker, Stand-Up-Comedians. Es gibt viele Bezeichnungen für die Teilnehmer des Prix Pantheon und ebenso lang ist die Liste der Namen der zehn diesjährigen Prix Pantheoniken. Sie alle wollen vor allem eines: ins Finale.
Doch am Dienstagabend im Pantheon in Bonn-Beuel gab es da eine kleine Hürde: das Publikum. Beim Prix Pantheon, einem der bekanntesten deutschen Satirepreise, entscheiden nämlich die Zuschauer, wer „beklatscht & ausgebuht“ wird, welche fünf Künstler also im Finale um den Publikumspreis kämpfen dürfen und welche zuschauen müssen. Doch sie hatten Glück – ausgebuht wurde, zumindest beim Vorentscheid, niemand. Neben dem Publikum entscheidet noch eine Jury über den Preis „frühreif & verdorben“. Außerdem wird der Sonderpreis „reif & bekloppt“ am Finaltag an einen Comedian für sein Lebenswerk verliehen. Ganz schön kompliziert mit so vielen Preisen! Deshalb verspricht der Abend eindeutig mehr als nur seichte Unterhaltung.
„Der Trend geht zum Mundgeruch von früher.“
Zum 25. Geburtstag des Prix Pantheons sollte natürlich die ganz große Bühne her. Deshalb war, wie in den Jahren zuvor, auch das WDR-Fernsehen zur Übertragung zugegen und es gab sogar ein Warm-Up. Warm-Up für eine Unterhaltungsshow – kein leichter Job. Deshalb schickte der Prix Pantheon seinen Besten: Mr. „beklatscht & ausgebuht“ 2008 Tobias Mann, der Moderator des Abends. Mit seinen drei Lieblingswitzen im Gepäck. Über verhaltenes Schmunzeln zu frenetischem Jubel testete er die Emotionsbandbreite des Publikums, um sich dann lauthals über die Tagespolitik mit Nachwuchsmutti & passionierter Humoristin AKK, Andreas „Audi“ Scheuer und die ewig Gestrigen, wegen denen der Trend zum „Mundgeruch von früher“ überginge, zu echauffieren. Den Fridays-for-Future Schülern riet er so zu leben, „dass Kramp-Karrenbauer was dagegen hätte“. Starke Aussagen, aber er ist ja auch ein gestandener Satiriker. Vielleicht war er sogar zu stark als Moderator, der ein oder andere Kandidat wirkte gegen ihn nämlich blass. Frischen Wind brachten sie jedoch alle.
„Massenabfertigung der Touristen“
Den Einstieg machte Shahak Shapira – der wohl bekannteste Künstler des Abends. Mit einem für ihn typischen Stand-Up-Programm versuchte er das Publikum für sich zugewinnen. Es lief zunächst sehr schleppend an. Stolz erzählte der israelische Comedian über seine Einbürgerungszeremonie. Die Grenzen des Machbaren austestend entrang er seinem überwiegend älteren Publikum nur ein verlegenes Lachen, bis er Auschwitzbewertungen auf Tripadvisor vorlas: „Massenabfertigung der Touristen“ und „ins Lager kommen ist Glückssache“ heißt es da. Den Finaleinzug retteten ihm wahrscheinlich die falsch gezeichneten Hakenkreuze von angehenden Neonazis, die die „Nicht-Überlegenheit ihrer Rasse zeigen“. Für das Finale dürfen wir gespannt sein, wie weit er mit seinem Witz noch gehen kann und ob er die Geschmacksgrenzen des Publikums übertreten wird.
„Einfach mal lassen“
Wenn es im Kampf um den Finaleinzug ein Duell der Altersklassen gab dann wohl David Kebekus gegen Christoph Fritz.
Der 34-jährige David Kebekus sprach seinen Zuhörern aus der Seele. In der Mitte des Lebens angekommen hat er den Sinn des Lebens entdeckt: „Einfach mal nix machen“. Alle Ziele, alle Pläne streichen, bei keinem Umzug mehr helfen und auf keinen Fall etwas Neues lernen. Fast wäre die Taktik aufgegangen, doch das Publikum wollte jemand ganz Neues kennen lernen: den Österreicher Christoph Fritz. Er sieht sehr jung aus, beschreibt sein Aussehen selber „wie ein elf jähriger Ministrant, der aussieht wie ein zu groß geratener acht Jähriger.“ Da er seine Jugend nicht leugnen konnte, tat er das auch nicht mit seiner Herkunft. Die Witze über seine angebliche Heimat Kleinschachingen-Wintzlingen erinnerten sehr an eine österreichische Albtraum-Version des Saarlandes. Das Publikum explodierte im Jubel und der junge Fritz konnte das Duell gegen den alten Kebekus für sich entscheiden.
„Du kleine Süße“
Auch Frauen durften bei der deutschen Nachwuchs-Satire nicht fehlen, deshalb traten gleich zwei Kleinkünstlerinnen auf.
Anna Piechotta am Flügel widmete Eckhardt aus der ersten Reihe ein Liebeslied, das einem Zwiegespräch glich und seinen Höhepunkt in einem Einprügeln auf die Tasten fand. Die Show wirkte dabei sehr aufgesetzt und die Aussage ihres nächsten Songs „Beten ist geil“ wollte auch nicht so recht zum ersten Lied passen.
Miss Allie hingegen kam als kleine Frau mit einer großen Gitarre und Herzchen am Mikrofonständer auf die Bühne. Doch das Bild des kleinen, süßen Mädchens trügte. Hinter der Gitarre versteckte sich eine emanzipierte Powerfrau, die erst einmal gegen alle sexistischen Gaffer austeilte und nicht nur textlich sondern auch stimmlich mit einer gewaltigen Range überzeugte. Dabei wechselte sie immer wieder zwischen dem Bild des kleinen Mädchens und der starken Frau hin und her. Ein Wechsel der überzeugte, so dass sie sich im Finale messen darf, während Anna Piechotta zuschauen muss.
„Mundtrompete der vollendeten Verzweiflung“
Musikalisch ging es auch mit Lennart Schilgen weiter, er kam als „Shouter in einer Blackmetall-Band“ auf die Bühne, der mit akustischer Gitarre und engelsgleicher Stimme voller Witz überzeugte. Seine Texte wurden durch seine Intonation unglaublich komisch und er beschränkte sich nicht nur auf das Vortragen, sondern interagierte auch mit dem Publikum. In seinem zweiten Song packte er die „Mundtrompete der vollendeten Verzweiflung“ aus, ein hohes, mit aufgeblasenen Backen ausgestoßenes Brrr, das den gesamten Saal vor Verzweiflung triefen ließ. So kam er verdient ins Finale.
Unglücklich ausgeschieden sind hingegen Reis against the Machine. Das einzige Duo des Abends wollte ebenfalls mit Musik überzeugen, allerdings gecovert. So hatten sie einen Pasta-Hit-Mix am Start voll mit Macarena-Maccaroni, Gnoc-Gnoc-Gnocchi on heavens door, Penne von Herbert Grönemeyer und Elvis‘ Viva Lasagne. Sie überzeugten vor allem mit Wortwitz und bauten Anspielungen auf die Witze ihrer Vorgänger kurzfristig mit in ihr Programm ein. Das half ihnen nur nicht ins Finale.
Poetry-Slammer sind Comedians, die zu faul sind ihren Text zu lernen
Auch Poetry-Slammer sollten in der Gala der Kleinkünstler nicht fehlen. Deshalb versuchte sich die Bonnerin Ella Anschein an einem Rundumschlag gegen Impfgegner, Jan Böhmermann, Max Giesinger und Asi-TV. Sie sprach Probleme direkt an, wie etwa, dass eine alleinerziehende Mutter zu wenig vom Staat unterstützt wird. Dabei war sie so direkt und ernst, dass keinem im Saal zum Lachen zu Mute war. Gut vorgetragen, thematisch wertvoll aber leider nicht lustig. Deshalb schied sie aus.
Anders versuchte es Sulaiman Masomi. Er entschied sich dafür zwischen ruhigen Passagen und Publikumsinteraktionen zu wechseln, Themen wie Angst und Freiheit anzusprechen und am Ende ein Gedicht über den Verfall der deutschen Sprache vorzulesen, bei dem sich jedes stilistische Mittel entsprechend seiner Bedeutung zu dem Thema äußerte. Doch trotz des intelligenten Witzes und der Aufforderung ihn ins Finale zu entsenden, weil die deutsche Sprache nur so gerettet werden könne, musste er sich der Konkurrenz geschlagen geben.
Der Poetry-Slam scheint noch nicht komplett bei der deutschen Satire angekommen zu sein.
„Ich habe keinen Bachelor!“
Die Überraschung des Abends allerdings war Martin Frank. Er kommt aus Bayern aber das ist nicht der Grund für seine psychischen Probleme. In allerbester Youtuber-Manier zieht er die Erklärung in die Länge ohne irgendetwas zu verraten. Aber am Ende platzt es doch aus ihm heraus: Er hat keinen Bachelor und er will auch keinen, denn: „wer als Depp studiert, bleibt ein Depp!“. Ohne Wirtschaftsstudium ist er gewitzt genug auf dem Bauernhof seiner Eltern Hühner- oder wie er sagt Hendl-Beerdigungen für Touris anzubieten und dabei die Trauerfeier mit Händel zu begleiten. Sympathisch, frisch und mit Themen, die noch nicht totgelacht wurden, begeisterte seine Stand-Up-Comedy, so dass er das Finalquintett komplettiert.
Der Fight geht in Runde 2
Martin Frank, Lennart Schilgen, Miss Allie, Christoph Fritz und Shahak Shapira haben es also ins Finale geschafft. Am Mittwochabend werden sie wieder im Pantheon auftreten und im Grand Prix der Satire, dem Prix Pantheon, versuchen Jury und Publikum zu begeistern. Nachzusehen gibt es den Vorentscheid am 05.04.19 von 23:30 bis 2:00Uhr im WDR-Fernsehen und nachzuhören am 5.4. von 21:04-23:00 auf WDR.
bonnFM berichtet für Euch natürlich auch vom Finale.