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Bild: Dorothea Enß

„Lecktücher kennt auch kein Schwanz!“

Lesezeit: 4 Minuten

„Let‘s talk about sex, baby, let‘s talk about you and me …“. Über Sex und noch viel
mehr spricht Ellie Lewerenz in ihrem Stück „Fremdkörper – Alles was ich im
Sexualkunde-Unterricht nicht gelernt habe“ – am 08. und 09. Oktober auf der Bühne
der Brotfabrik. Unsere Autorin hat eine Probe besucht und die Regisseurin interviewt.

„Hattet ihr in der Schule Sexualkunde-Unterricht?“

Ich kann mich noch daran erinnern, dass der bei mir immer sehr unangenehm war. Unserer
Lehrerin selbst war es peinlich vor uns pubertierenden Achtklässler*innen über Sex zu
sprechen, Gender war kein Thema, es wurden blöde Witze gemacht und nach einer Binde
oder einem Tampon zu fragen hat sich nach einer echten Mutprobe angefühlt. In einer
Stunde musste jede*r Einzelne von uns alleine in das kleine Material-Kabüffchen gehen und
dort unter den Argusaugen unserer strengen Bio-Lehrerin ein Kondom über einen Holzpenis
ziehen. Schön war das nicht, aber immerhin habe ich dadurch wenigstens ein bisschen etwas über
Sex in der Schule gelernt…

Kraniche statt Sexualkunde?

Dass das nicht bei allen so ist, kann Ellie Lewerenz aus eigener Erfahrung sagen. Bei ihr ist
der Sexualkunde-Unterricht zugunsten einer Einheit über Kraniche
ausgefallen. Heute ist es ihr sehr wichtig, dass Schüler*innen zu Themen wie Sex, Verhütung,
Masturbation und Menstruation aufgeklärt werden oder auch einmal die Möglichkeit
bekommen, sich mit ihrem Körper, ihrer Körperwahrnehmung, Genderidentität und
Geschlechterrollen auseinandersetzen. Leider sind das nämlich Themen, die oft genug
tabuisiert werden und schambehaftet sind. Und genau das möchte Ellie jetzt mit ihrem Stück
„Fremdkörper“ ändern. Deswegen zeigt sie dort alles, was sie in Sexualkunde nicht gelernt
hat und vielleicht auch, was wir uns alle im Nachhinein von unserem Sexualkunde-Unterricht
gewünscht hätten.

Hört doch gerne in unser Interview mit Ellie Lewerenz rein! Dort erzählt sie unseren
Moderatorinnen Caroline Jüngermann und Alyssa Löffler, wie ihr die Idee zum Stück
gekommen ist und was sie damit auslösen möchte.

Ellie Lewerenz (Mitte) im bonnFM-Interview bei Caroline Jüngermann (links) und Alyssa Löffler (rechts)
Ellie Lewerenz (Mitte) im bonnFM-Interview bei Caroline Jüngermann (links) und Alyssa Löffler (rechts)

Warum sollten wir uns „Fremdkörper“ ansehen?

Ellie gewährt Einblicke in ihre persönlichen Erfahrungen und auch in die von anderen.
„Lecktücher kennt auch kein Schwanz!“ – hat Ellies Schwester mal zu ihr gesagt.
Sowohl die Gespräche mit ihrer Mutter als auch Statements ihrer weiteren
Interviewpartner:innen teilt Ellie auf charmante und manchmal unerwartete Weise. Dabei ist
sie einfühlend, ohne wertend zu sein. Sie ist offen, ohne dass sich das Publikum dabei
unwohl fühlt. Ellie selbst zeigt sich verletzlich, offenbart, dass sie „noch viel mehr Lachen
möchte beim Sex“. Das Publikum zum Lachen zu bringen, ist ihr schon gelungen. Und das
wird sie sicherlich auch wieder am Samstag und Sonntag in der Brotfabrik schaffen. Denn
das Stück bietet mit Musikeinschüben und großartigen unerwarteten Momenten eine
Wohlfühl-Atmosphäre. Das Testpublikum war schon begeistert. Bruno findet: „Ellie hat eine
unfassbar schöne, witzige Art da ranzugehen und das Publikum sich so fühlen zu lassen,
dass es sich nicht schämt“

Mitmachen – aber nur mit Consent

Was Ellie vorab noch wichtig: „Bitte beachte auch, dass “Fremdkörper” ein Stück zum
Mitmachen ist – im Laufe des Stücks wirst du vielleicht gebeten, etwas vorzulesen oder eine
andere Aktion durchzuführen. Aber keine Sorge, alle interaktiven Momente sind freiwillig. Du
wirst zu keinem Zeitpunkt zu etwas gezwungen werden, was du nicht machen möchtest“.
„Fremdkörper“ ist Sexualkunde in spaßig und gleichzeitig aufklärend. In etwas mehr als
einer Stunde schafft es Ellie Lewerenz mehr über Sex, unsere Körperwahrnehmung und die
Scham beim Sprechen über dieses Thema zu vermitteln, als es bei mir damals in der 8.
Klasse meine Bio-Lehrerin in vielen Stunden Frontalunterricht je konnte. Möchtet ihr auch
dabei sein? Karten gibt es für Studierende ab 10 € über www.bonn-ticket.de oder eventuell
noch Restkarten für 3 € an der Abendkasse.
Wann? 08.10.22, 20:00 Uhr und 09.10.22, 18:00 Uhr
Wo? Brotfabrik Bühne Bonn, Beuel
Kosten? ab 10 Euro für Studierende / Abendkasse 3 € für Studierende der Uni Bonn

Über die Personen hinter „Fremdkörper“

Ellie Lewerenz ist Bühnenautorin und Performerin. Erste kürzere Szenen und Stücke schrieb
sie für die Bonn University Shakespeare Company. Ihr kurzes Stück “Fancies”, das sie
ebenfalls für die Bonner Gruppe schrieb, wurde beim FEATS Festival 2018 in der Kategorie
“Best Original Play” nominiert. 2019 wurde sie dann aus 300 Bewerber*innen ausgewählt,
um am New Writers Programme des Londoner Theaterfestivals “Vault” teilzunehmen. Ihr
erstes abendfüllendes Stück “How We Begin” wurde daraufhin im August 2019 im Rahmen
der Queer Season des Londoner “King’s Head Theatre” uraufgeführt. Zuletzt arbeitete sie für
die Bonner Gruppe Circe Theatre e.V. an einer Kommission für das Beethoven
Jubiläumsjahr, das 2021 Teil des digitalen Programms des Edinburgh Fringe Festivals war.
Muna Zubedi unterstützt Ellie bei „Fremdkörper“ bei der Regie und Produktion. Sie ist
Koordinatorin für Kulturveranstaltungen und –projekte. Im Bereich Film, Theater und
Kulturelle Bildung war sie unter anderem in der Brotfabrik, für den Förderverein Filmkultur
und für das Kulturamt tätig. Seit 2012 ist sie vor und hinter der Bühne aktiv bei
verschiedenen Theatergruppen der freien Szene in Bonn, unter anderem der Bonn
University Shakespeare Company und S.U.B.-Kultur (Schauspiel Uni Bonn). Sie ist
außerdem Teil des Projekts „Colour Olive“ über Diversität und Multinationalität, wo sie eine
temporäre Ausstellung im Kunstmuseum und demnächst auch in der Galerie Foyer //
Brotfabrik co-kuratiert.

Flyer zum Theaterstück „Fremdkörper - Alles, was ich in Sexualkunde nicht gelernt habe“
Design: Muna Zubedi