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Let’s Burlesque – Mit Augenzwinkern zum Feminismus

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„Burlesque, das ist doch ein Gefühl, Burlesque ist ein Zustand. Burlesque ist all das, was sich eben nicht in eine Schublade stecken lässt sondern all das was wild, wolllüstig, üppig und ungezügelt aus jeder Schublade hervorquillt.“ Mit diesen geladenen Worten begrüßte Evi Niessner am vergangenen Samstag ihr Publikum im Bonner Pantheon-Theater. Wir sprachen mit der Sängerin und Gastgeberin der Show „Let’s Burlesque“ über Musik und Erotik, die Show und das Team und über Beruf und Privatleben.

bonnFM: Frau Niessner, Sie sind die Gastgeberin des Abends. Wie kamen Sie auf die Idee der Show „Let‘s Burlesque“?

Evi Niessner: Die Idee entstand 2008 auf einer Burlesque-Veranstaltung im Stuttgarter Varieté. Dort waren mein Mann und ich als Masters of Ceremony engagiert und kamen so zum ersten Mal in Berührung mit Burlesque-Tänzen. Diese sogenannten Striptease-Tänze sind eher eine Kunstform der Unterhaltung und deshalb viel mehr als bloße Striptease. Wir sahen in ihnen einen humorvollen Umgang mit Musik, Tanz und Erotik – das alles miteinander verquickt, immer mit einem Augenzwinkern. Und das ist genau, was wir als Evi und das Tier auf die Bühne bringen wollen. So haben wir uns im Burlesque wiedergefunden und entschieden deshalb, eine eigene Burlesque-Show auf die Beine zu bringen. Da wir uns aber hauptsächlich mit Musik befassen und Burlesque deshalb eigentlich nicht unsere Disziplin ist, holten wir uns Burlesque-Tänzer*innen dazu, mit denen wir über die Jahre stark zusammen gewachsen sind. Gemeinsam mit unserer alten Band aus Berlin kreierten wir so unsere Show „Let’s Burlesque“.

bonnFM: Die Künstler*innen des heutigen Abends reichen von Geisha über Handstandartisten zu Jazzmusikern und kommen zudem noch aus aller Welt. Wie haben Sie diese ausgewählt?

Evi Niessner: Das ganze Projekt „Let’s Burlesque“ ist eine sehr gewachsene Sache. Viele haben wir kennengelernt bei dem Burlesque-Projekt in Stuttgart. Damit hat es angefangen, aber inzwischen hat sich die Spirale schon wieder weitergedreht: Unsere Musiker, die kennen wir aus Berlin, weil in Berlin kommen halt die Musiker aus aller Welt zusammen und treffen sich da in der Jazz-Szene. Und über Empfehlungen und über Bekanntenkreise. Die Kreise werden auch immer größer, da kennt man sich eben. Deutschland hat inzwischen auch eine recht vielfältige Burlesqueszene, weil die Leute, die in Australien, London, Italien oder Japan sogar aktiv sind, kommen alle nach Berlin und nach Deutschland. Und „Let’s Burlesque“ ist eben auch eine Show, bei der viele mitmachen wollen, was uns auch sehr freut, aber wir arbeiten nicht mit wechselnden Künstlern, sondern wir arbeiten mit einer festen Cast, die sich nur ändert, wenn es sein muss. Also wenn jemand schwanger wird oder stirbt. Das ist alles auch schon passiert. Wir sind da durch viele Höhen und Tiefen gegangen, was uns noch mehr zusammengeschweißt hat. Aber wir arbeiten mit einer sehr familiären Struktur und die menschliche, persönliche Chemie, die ist bei uns sehr wichtig und trägt auch die Show.

bonnFM: Gibt es da so ein Kriterium, bei dem sie sagen, das müssen die Künstler*innen haben?

Evi Niessner: Also wir machen nicht in dem Sinne Castings nach Talent, wie man das so kennt. Heutzutage ist ja die Welt eine Castingshow. Nein, das ist bei uns eher anders. Als der neue Saxophonist zum Beispiel dazukam, war das eine Empfehlung von anderen Musikern. Wir wissen dann eher was über den Künstler. Dann merkt man eigentlich schon, wenn jemand einen bestimmten Background hat, dass das zu uns passen könnte. Dann lernt man sich kennen und dann merkt man, entweder die Chemie stimmt oder sie stimmt nicht. Dann macht man halt zwei Shows und guckt, ob es klappt. Aber es ist noch nie vorgekommen, dass wir dann mit jemandem gespielt haben, wo wir dann gesagt haben: „Nee, das klappt ja gar nicht!“, sondern es war immer auch so ein Stück Fügung dabei oder die Empfehlung schon so fundiert, dass da auch nicht wirklich viel schief gehen konnte. Aber wir lassen niemanden zum Casting antanzen.

“Unser ganzes Leben dreht sich um unsere Shows”

bonnFM: Sie arbeiten ja nicht nur mit einer familiären Struktur, sondern auch mit der Familie selbst. Gemeinsam mit Ihrem Ehemann leiten Sie die M&G Showcompany. Wie sehen Sie da das Verhältnis zwischen Beruf und Privatsphäre?

Evi Niessner: Es fällt uns oft schwer da eine Trennung zu machen. Der gemeinsame Beruf war schon immer die Basis unserer Beziehung. Wir haben damals über die Musik zueinander gefunden und unser ganzes Leben dreht sich um unsere Shows. Natürlich ist es uns auch sehr wichtig, Raum für unsere Familie und das Privatleben zu haben. Wir haben einen Sohn und einen Hund. Unser Sohn spielt aber auch schon Schlagzeug und tritt auch schon mit uns auf, wenn wir als Duo spielen. Die Show ist einfach unsere Lebensbasis.

bonnFM: Sie haben ja vorhin bereits erwähnt, dass Burlesque nicht einfach nur ein Striptease ist, sondern eine Kunstform. Wie sehen Sie die heutige Einstellung zu Sexualität und Pornografie, die ja häufig eher weniger künstlerisch wirkt?

Evi Niessner: Also wir setzen mit Burlesque einen Kontrapunkt zu diesem „Sex Sells“, was so allgegenwärtig ist, was so inflationär ist, dass Sex eigentlich zu einer absoluten Ramschware verkommen ist. Es geht überhaupt nicht mehr um Erotik. Bei uns schon. Aber selbst der Begriff Erotik ist eigentlich noch nicht subtil genug: Bei Burlesque geht es um ganz andere Dinge als einfach nur sexuelle Lust, es geht auch um die der Frau und die sexuelle Selbstbestimmung der Frau. Eben nicht die Frau als Sexobjekt zu degradieren, sondern Burlesque dreht den Spieß um. In Burlesque ist die Frau das Subjekt, das entscheidet: „Was mache ich mit meinem Körper? Wie weit will ich gehen? Ich will verführen, aber ich verkaufe mich nicht“. Und das widerspricht nicht dem Feminismus, sondern das ist für mich eigentlich der ultimative Feminismus. Feminismus ist nicht immer nur damit verbunden, dass wir eigentlich werden müssen wie die Männer, um gleichwertig sein zu dürfen und wir das Frau-Sein quasi aufgeben. Und da gehört eben auch die Sexualität dazu. Beim Mann ist es gesellschaftlich vollkommen akzeptiert, dass Sexualität dazugehört. Bei der Frau immer noch nicht wirklich: Dann ist sie entweder eine Schlampe oder wenn sie die Sexualität komplett ablegt, ist sie eine Mann-Frau oder irgendwas Asexuelles. Sexualität gehört auch bei uns Frauen mit dazu. Wir wollen einen Kontrapunkt dazu setzen, dass sich die Frau nur als Objekt über die Sexualität definiert oder über die Asexualität, wenn sie als Mann im Business irgendwie ernst genommen wird. Das ist alles gleichzeitig möglich, denn Frauen und Männer sind grundverschieden, aber gleichwertig.

bonnFM: Vielen Dank, Frau Niessner für das Interview!

Let’s Burlesque“, eine sinnliche, aber auch lustige Show voller Talent, war am 6. April im Bonner Pantheon. Doch keine Sorge, Miss Evi und ihr Ensemble kehren am 20. Oktober zurück, wenn es wieder heißt: Let’s Burlesque!